Der Rosenhof in Schwand im Kleinen Wiesental ist ein besonderer Ort. Seit vielen Jahrzehnten zieht er Menschen mit außergewöhnlichen Ideen an.
Menschen, die den Mut und die Tatkraft haben, ihre Pläne erfolgreich umzusetzen. Wir stellen sie hier vor.
Der Roser-Hof
1862 steht auch heute noch gut lesbar über der Tür des Haupthauses. Das verleitet zu der Annahme, das wäre das Jahr der Grundsteinlegung für den Bauernhof gewesen. Tatsächlich aber wurden die ersten Gebäude schon 1847/48 errichtet. Gut möglich, dass der Hauptbau seine jetzige Form erst 15 Jahre später erhielt und deshalb 1862 als Erbauungsjahr über dem Eingang verewigt wurde. Jahrzehntelang nannte man das Gehöft 'Roser-Hof', nach seinem Besitzer Frieder Roser.
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Im Namen der Dose
Ende der 1920er Jahre überahm der knapp sechzigjährige Dr. Oskar Jurnitschek den Hof. Er muss eine beeindruckende Persönlichkeit gewesen sein, wie Ortsansässige zu berichten wissen.
Der aus der Krupp-Dynastie stammende Wiener hatte eine erfolgreiche juristische Karriere in der Schweiz hinter sich, bevor er sich entschloss, nach Schwand zu ziehen. Er wollte sich seiner Leidenschaft, dem Tüfteln und Erfinden widmen. Seine Gattin, eine Gräfin von Salis de Soglio, und die erwachsenen Kinder blieben in der Schweiz.
Das erste erfolgreiche Produkt von Jurnitscheks Erfindergeist war die Konservierung von Wurst und Fertiggerichten in Dosen. Das war vor ihm noch niemandem in dieser Form gelungen. Er baute auf dem Rosenhof eine Produktionsstätte auf und ließ schon damals nach den neuesten ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen kochen.
Neben Wurst kamen komplett tischfertige Gerichte wie Wirsingkohl mit Schweinefleisch, Hasenrücken mit Makkaroni oder Ochsenfleisch in Fleischbrühe in die Dose. Diese klevere Idee hat den Bauern in der Region, welche die Zutaten lieferten, ein regelmäßiges Einkommen beschert und so mancher Hausfrau den Alltag erleichtertet. Überdies versorgte Jurnitschek die Schwander Kinder kostenlos mit Essen.
Später hat er noch andere Dinge erfunden, eine Bucheckernpresse beispielsweise. Und dann das 'Po-Ho', ein 'Schwarzwälder Hausmittel', das er 1936 unter dem Namen 'Ultra nostra nihil Allein echtes Olhas PO-HO-CO in Basel zum Patent anmeldete. Noch heute findet sich das Heilmittel aus ätherischen Ölen, das gegen vielerlei Beschwerden hilft, in den Hausapotheken der Region. Zur Zeit der Patentanmeldung war Jurnitschek schon in die im Volksmund 'Pappedeckelhütte' genannte Villa umgezogen, die er sich im Tegernauer Kircheck hat bauen lassen.
Die Angora-Ära
Ende der 1930er Jahre kaufte Karl Scheurer das Landgut. Scheurer hatte 1932 die Oberbadischen Angora-Werke, die spätere 'Medima', gegründet und fand im Rosenhof einen idealen Platz zum Leben und für seine Angorakaninchenzucht.
Einen guten Teil der Fläche verpachtete er zur Bewirtschaftung an den Landwirt Schwarzwälder. Das Haus baute er im großen Stil um, es kam ein Anbau und ein großes, nicht überdachtes Schwimmbad dazu.
Das weitläufige Gelände wurde zum Park umgestaltet, in dem auch das 'Angorahotel' für die Kaninchen Platz fand. Die großzügig angelegten Rosenbeete und Rosenbäume machten schließlich aus dem Roser-Hof den Rosenhof. Familie Scheurer wohnte dort bis 1976.
Schmiedeeiserne Blumen
Alfred Meierhans wurde der nächste Besitzer. Er war im Baugeschäft tätig und verlieh dem Rosenhof durch verschiedene Umbauten ein ganz eigenes Gepräge. Das Schwimmbad wurde überdacht, der lange Balkon erhielt ein Geländer mit Schnörkeln und die Auffahrt ein schmiedeeisernes Tor mit wunderschönen Blütenornamenten.
Die Bauhütte
Danach ging das Anwesen an eine Bayerische Bank über, die es an die "Bauhütte e.V." des Dr. Dieter Duhm vermietete. 1982 zog der Psychoanalytiker mit einer Gruppe Gleichgesinnter auf den Rosenhof, um neue, freie und friedliche Formen des Zusammenlebens zu erproben.
In Seminaren wurde an zahlreiche Interessierte weitergegeben, was die Bauhüttenmitglieder als wegweisend für eine umfassende Friedenskultur erachteten. Das sorgte im Kleinen Wiesental für einigen Unmut. Berichte über die freizügigen Aktivitäten auf dem Rosenhof schafften es sogar in die bundesdeutsche Presse. Doch die Aufregung legte sich wieder. Ende der 80er Jahre zogen Duhm und seine Mitbewohner nach Berlin und nur wenig später nach Portugal, wo sie das Friedensforschungszentrum 'Tamera' gründeten.
Zeiten der Nichtnutzung
Das Anwesen blieb dann für längere Zeit leer stehen, bis sich endlich ein neuer Käufer fand, Horst Echsle aus dem Nachbarort Wieslet. Allerdings musste er aus privaten Gründen sein Vorhaben, auf den Rosenhof zu ziehen, aufgeben. Nach nur einem Jahr wechselte der Besitzer erneut.
Kultur und Medizin
1999 zogen Pilar Buira Ferre und Andreas Vogel mit ihren beiden Töchtern nach Schwand. Die Tänzerin und Choreographin und der Mediziner hatten ganz eigene Pläne für den Rosenhof.
Pilar begann schon bald nach dem Einzug ihre Ideen umzusetzen. Zu Silvester 1999 organisierte sie das erste Konzert auf dem Rosenhof, einen Barockmusik-Abend. Das war der Auftakt für viele weitere Kulturveranstaltungen auf der Schwander Höhe.
Parallel zu Kunst und Kultur entwickelte sich die Medizin am Rosenhof: mit der Einrichtung einer allgemeinmedizinischen, naturheilkundlich-osteopathischen Praxis wurden Patienten neue Wege zur Genesung eröffnet. Ärzte und Therapeuten aus ganz Europa reisten an, um die neue Heilmethode, die den Menschen wieder in den Mittelpunkt der Medizin stellt, kennen zulernen. Dadurch wurde der Rosenhof auch zu einer modernen medizinischen Lehrstätte.
2003 wurde auf Initiative von begeisterten Kulturfreunden ein Verein gegründet, der Kulturraum Rosenhof e.V., der von da an alle Veranstaltungen auf dem Rosenhof organisierte.
Neben Kammerkonzerten wurden Kunstausstellungen, Theateraufführungen und Zeitgenössische Tanz-Performances geboten. Tanz- und Malworkshops sowie Zirkus- und Theaterprojekte für Kinder standen ebenfalls auf dem Programm. Den jährliche Höhepunkt bildete das Internationale Festival für zeitgenössischen Tanz mit Tanzkompanien und Solotänzern aus ganz Europa und Übersee.
In kurzer Zeit wurde aus dem Geheimtipp für Kulturinteressierte ein gern besuchter und von der Presse beachteter Veranstaltungsort für zeitgenössischen Tanz, Kunst und Kultur im Dreiländereck.
Auch der seit 2004 einmal im Jahr stattfindende Kunsthandwerkermarkt mit künstlerischem Begleitprogramm, 'Kultur-Rendezvous' genannt, lockte viele Menschen aus der Region ins Kleine Wiesental.
Immer mehr Menschen fanden im Lauf der Jahre durch das kulturelle und medizinische Angebot ihren Weg zum Rosenhof.
Das Feuer
2010 brannte die Kulturscheune ab. Damit verlor der Rosenhof nicht nur seinen großen Veranstaltungssaal, sondern auch den Kostümfundus, die Ausstellungsräume, Künstlerquartiere und den Wintergarten. Der Musiksaal im Haupthaus eignete sich zwar für Kammerkonzerte, nicht aber für Tanzaufführungen.
Daher ließ der Verein als Ersatz für den Veranstaltungssaal eine überdachte Bühne entwerfen und bauen, die es auch nach dem Brand möglich machte, das jährliche Tanzfestival durchzuführen. 2011 und in den beiden Jahren danach wurde sie immer zur Sommersaison im Garten des Rosenhofs aufgebaut. Sie bescherte dem Publikum zauberhafte Open-Air-Aufführungen vor eindrucksvoller Naturkulisse.
Die kreative Pause und In-Zeit-Sprung
2014 wurde es ruhig im Kulturraum auf der Schwander Höhe. Alle Publikumsveranstaltungen wurden ausgesetzt. Nur Pilars Tanztheaterprojekt 'In-Zeit-Sprung' fand im Werkraum Schöpflin in Lörrach eine neue Heimat.
2010, das Jahr, in dem der Rosenhof den Veranstaltungssaal verlor, war gleichzeitig die Geburtsstunde einer neuen, einzigartigen Idee: 'In-Zeit-Sprung', ein Tanztheaterprojekt für Männer und Frauen ab 40.
Schon das erste Projekt stieß auf große Resonanz, mehr als 80 Menschen bewarben sich um die Teilnahme an dem siebenmonatigen Training. Seither gibt es jedes Jahr eine neue In-Zeit-Sprung-Klasse, die ihre intensive Arbeit mit einer öffentlichen Performance abschließt.
Die Uraufführungen der ersten 3 In-Zeit-Sprung-Jahrgänge fanden im Rahmen des jährlichen Tanzfestivals Tanz.Kultur.Dialog auf dem Rosenhof statt. Seit 2014 sind die In-Zeit-Sprung-Performances im Werkraum Schöpflin zu sehen, seit 2017 im Sommer wieder auf der Open-Air-Bühne im Rosenhof-Garten sowie im Herbst im Werkraum Schöpflin.
2019 feierte der Rosenhof sein 20-jähriges Bestehen als Kulturort mit einem großen Sommerfestival.
Der neue Rosenhof
Während der Kulturbetrieb ruhte, wurden an Plänen für den neuen Rosenhof gefeilt. Die Kultur, allen voran der zeitgenössische Tanz, sollte hier wieder eine feste Heimat bekommen.
Einstweilen wurde von 2016 bis zum Frühjahr 2020 im weitläufigen Garten des Rosenhofs der Naturkindergarten Rosenkinder e.V. betrieben. Eltern und Erzieher hatten dafür eine leerstehende Stroh-Lehm-Hütte liebevoll renoviert und für die Kinder ein Wohlfühl-Ambiente geschaffen.
Im Sommer 2017 startete auch der Kulturbetrieb wieder. Auf der überdachten Open-Air-Bühne finden seither jedes Jahr mehrere Veranstaltungen statt. Im Juni das Singer-Songwriter-Festival, im Juli das Internationale Tanzfestival Tanz.Kultur.Dialog und im August das Sommertanzcamp für Kinder und Jugendliche.
Zweimal war bereits auch der wunderbare Zirkus Fahraway auf dem Rosenhof zu Gast. Unser Veranstaltungsarchiv bietet eine Überblick über zurückliegende Ereignisse, eine Veranstaltungsübersicht auf dieser Website und der Kalender auf Pilars Website informieren über bevorstehende Veranstaltungen.
Zurück zum Ausbau des Rosenhofs. Die Planungsphase nahm einige Zeit in Anspruch. Eine Änderung des Bebauungsplans wurde notwendig. Im April 2020 stimmte die Gemeinde Kleines Wiesental der Planänderung zu - jetzt ist der Weg frei, an der Stelle der abgebrannten Kulturscheune einen neuen, lichten Veranstaltungssaal zu errichten, daneben einige Künstlerateliers zu bauen und das bislang ungenutzte Quergebäude in schöne Wohnungen für Singles, Paare und Familien umzuwandeln.